Gesehen auf der Homepage des Südkurier vom 19.12.2009

Autor: Gerd Welte

 

Hauptsache O-Ton

 

Fußballprofis haben es nicht leicht. Da verlassen sie atemlos den Rasen nach einem Spiel, freuen sich auf die Dusche und werden von einem Fernsehreporter daran gehindert. Der braucht ein Interview. Das Fernsehpublikum soll unterhalten werden. Schlaue Antworten auf dumme Fragen zu bekommen ist aber nicht einfach. Schlusspfiff, eine kurze Werbepause und dann die verbale Erleuchtung. Dann erfahren wir etwa auf emotionale Weise nach dem 0:5 des 1. FC Köln von Lukas Podolski, dass seine Mannschaft ganz schlecht gespielt habe und nach dem Pokal-Aus des Hamburger SV gegen einen Drittligisten, dass der Pokal seine eigenen Gesetze habe. Wahrlich: Auf diese Antworten hat die Welt gewartet. Erkenntniswert gleich Null. Aber: Hauptsache O-Ton (Original-Ton).

 

Das soll nun keine Schelte für das Medium Fernsehen sein. Uns Zeitungsjournalisten ergeht es oft ähnlich. Das Spiel ist aus, der Redaktionsschluss naht, die Zeit ist knapp und die Leser erwarten eine kompetente Analyse.

 

Auch der Trainer oder Spieler aus der Bezirksliga oder der Kreisliga A darf noch nicht duschen, sondern ist bereit fürs Gespräch. Vielleicht stelle auch ich einige dumme Fragen, aber ich habe gegenüber dem Fernsehen, das live auf Sendung ist, einen Vorteil: Ich kann nicht nur einige meiner dummen Fragen später aussortieren, sondern auch die dummen Antworten. Frage ich einen Trainer, dessen Mannschaft fünf glasklare Elfer nicht gegeben wurden, nach der Leistung des Schiedsrichters, wird er mir sagen, dass der Mann mit der Pfeife auch eine solche ist. Ist der Trainer ein emotionaler Typ, wird der Schiedsrichter mit einem noch deftigeren Schimpfwort tituliert.

 

Jetzt die entscheidende Frage: Muss das alles an die Öffentlichkeit? Wenn Sie als Leser am nächsten Morgen ihre Zeitung aufschlagen, tut dem Trainer seine gestrige Aussage schon wieder leid. Klar, er hat eine Nacht drüber geschlafen. Der Ärger ist verblasst. So wie gestern würde er heute nicht mehr reden. Deswegen ist es besser, einen aufgebrachten Menschen auch mal vor sich selbst zu schützen. Nicht jeder O-Ton muss an die Öffentlichkeit. Ich sollte kein Zitat erfinden, aber ich darf wohl eines weg lassen.

 

Umgekehrt gilt auch: Nicht alles glatt Gebügelte ist die Wahrheit. Wenn ein Verein in einer Pressemitteilung von einer Trainerentlassung „in gegenseitigem Einvernehmen“ berichtet, sind vor davor hinter den Kulissen oft die Fetzen geflogen. Wie war`s denn jetzt wirklich? Müssen wir alles wissen? Tatsache ist: Verein und Trainer haben sich getrennt. Basta.